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Der erste Kontrollblick nach draußen sieht wenig versprechend aus. Die Wolkendecke liegt auf,
keine Peilpunkte sind sichtbar und es nieselt leicht. Erst mal gefrühstückt und dann noch mal ein
Wetercheck. Kein Wind - keine Wetteränderung. Also wieder den Schlafsack zugezogen und bis
10:00 Uhr weitergeschlafen. Vom Wetter weiterhin nichts neues. Vergnügliche Lektüre in "Sofies
Welt". Gegen 13:00 Uhr sieht es dann besser aus. Ich packe zusammen und komme eine Stunde
später los.
Erst mal weiter auf der neuen Piste, denn sie führt zur einzigen Brücke über den neuen Kanal, der
das durch den Damm aufgestaute Þjórsáwasser in den nächten Stausee leitet. Nun, der Damm selbst
liegt doch ein
gutes Stück weiter südlich als nach den Koordinaten die ich von Einar bekommen habe. Der breite
Damm auf dem sich ein unverschlossenes Gatter befindet, besteht aus großen Basaltblöcken.
Unterhalb des Dammes befindet sich kein Wasser mehr in der Þjórsá. Beim Queren des Dammes
kommt die Sonne heraus. Am Ostufer der Þjórsá angekommen folge ich einer Fahrspur und den
Hufspuren von etwa 20 Pferden die genau Richtung Arnarfell führen. Den Wegpunkt "Vað" (= Furt)
lasse ich nordwestlich liegen und folge ihnen. Über zwei Höhenrücken hinweg und ich habe den Blick
auf den vor mir
liegenden, nördlichen Teil der Ebene Þjórsáver. Die Þjórsáver ist im Gegesatz zu dem wüstenhaften
Sprengisandur mit seinen vegetationslosen, grauen Steinpflastern fast üppig grün. Überall
austretendes Grundwasser sorgt dafür, daß sich dichte Moos- und an etwas trockeneren Stellen
auch Heidepolster entwickeln können. Am überraschendsten sind jedoch so großen Mengen an gelb
blühenden Blumen, die an manchen Stellen so dicht stehen, daß Gelb zur vorherrschenden Farbe wird.
Eine erste Furt mit seichtem, klarem Wasser bildet kein Hindernis. Die nächste Furt, ein Stück weiter
ist schon in Sicht, also lohnt es sich nicht die Bergschuhe wieder anzuziehen. Die Fahrspur ist schon
an der ersten Furt nach Süden abgebogen und so folge ich den Pferdespuren. Nun wird es allerdings
ernst, denn der Hauptfluß führt jetzt um 16:00 Uhr mächtig viel Wasser und ist noch dazu verflixt
breit. Erst muß ich eine ganze Zeit lang nach einer Stelle suchen an der ich es versuchen
kann. Das Wasser ist trübe und die Strömung stark. Das erste Drittel schaffe ich ganz gut, aber jetzt
im Stromstrich reicht mir das Wasser bis zum Schritt und die Hosen sind nun eh schon naß, als sich mein
rechter Trekkingstock zusammenschiebt. Sch.... - warum habe ich ihn nicht fester zugedreht! Also
sofort vorsichtig zurück ans Ufer. Sogar die Phototasche ist von unten her naß geworden und die
hing ziemlich hoch vor dem Bauch. Hier hat es keinen Sinn. Ich muß weiter flußauf, es in der Nähe der
Moräne versuchen und mir die Zuflüsse einzeln vorknöpfen. Die ersten zwei kleineren sind dann
unproblematisch und der erste größere klappt auch ganz gut, aber der Hauptfluß führt ganz eindeutig
Hochwasser. Eine Folge der ungewöhnlich warmen Witterung der letzten Tage oder nur der normale
Schmelzwassertagesgang? Obwohl es heute bedeckt war, war es nicht kühl - sogar eher warm und
ich hatte die Jacke nicht gebraucht. Während ich den Fluß beobachte bricht ein Teil der unterspülten
Uferböschung ab und fällt in das aufgewühlte Wasser. Aktive Erosion der Uferböschung dürfte wohl
ein ziemlich eindeutiges Indiz für einen Wasserstand sein der über die täglichen Schwankungen
hinausgegangen ist. Das ist mir Zeichen genug. Nun gut, morgen Früh werde ich weiter sehen.
Beim Bestimmen der Position muß ich feststellen, daß ich mich genau am Wegpunkt "Vað" befinde.
Auf meiner Suche nach einer gangbaren Furt bin ich also ein gutes Stück nach Nordwesten
hinaufgewandert. Ich suche die nähere Umgebung ab und finde auch schwache Abdrücke von
Geländereifen. Ich habe also nicht nur Einars GPS Koordinaten, sondern bin auch auf seinen Spuren.
Etwas weiter nördlich des Flußes stehen zwei einsame Fluchtstangen, die ein Vermesungstrupp dort
zurückgelassen hat. Die haben lieber auf die Stangen verzichtet, als noch mal durch den Fluß zu
fahren.
Direkt vor der Randmoräne baue ich mein Zelt auf einem moosigen, aber etwas unebenen Plätzchen
auf. Einziges Problem: ich bin, wie es sich herausstellt auf einer Insel zwischen zwei Armen des
selben Gletscherbaches und habe kein klares Wasser. So filtere ich mir wenigstens das Kochwasser
und in der Thermos habe ich sowieso noch heißen Tee. In der dicken Soße des "Ungarntopf mit
Nudeln" fällt der Schwebstoffanteil am wenigsten auf - Na dann Mahlzeit! Abends bewölkt aber gute
Sicht und gegen 19:00 Uhr ein paar Tropfen. Sollte der Wasserstand bis morgen Früh nicht deutlich
gefallen sein, muß ich meine weiteren Pläne ernsthaft überdenken. In diesem Fall zurück über den
Damm und dann entweder wieder nach Nýidalur oder nach Süden nach Versalir. Für beide Strecken
brauche ich etwa anderthalb Tage. Der nächste Hochlandbus Richtung Norden fährt erst am
Mittwoch.
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18. Tag Þjórsárver - Hámýri