10 Tag, Hvítárnes

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Dieter Graser © 2010

Samstag, 25. August 2007


Ruhige Nacht. Ich habe keinen Wecker gestellt, denn mich erwartet ja nur eine kurze, gemütliche Etappe. Gegen 7:00 Uhr weckt mich ein Rumpeln im Hütteneingang. Weibliche Stimmen sprechen Isländisch. Es sind die beiden Mädels von gestern Abend. Sie machen keinen sehr glücklichen Eindruck. Sie sind durchnäßt, durchfroren, ziemlich fertig und ganz und gar nicht an ihrem Ziel Þverbrekknamúli. Wenigstens scheinen sie Ihren Humor nicht verloren zu haben.

nach dem Abenteuer
Was war geschehen? Der Mann der gestern an der Wasserversorgung gearbeitet hat, hatte sie am Abend noch ein gutes Stück über die Kjalvegurpiste nach Norden gefahren und ihnen erklärt, daß sie nun nur quer über das alte Lavafeld nach Westen gehen bräuchten um die Hütte zu erreichen. So weit, so gut. Nun mußten sie erst mal die Svartá furten und dann quer über das Kjalhraun. Solche überwachsenen Lavafelder können anstrengend und mühsam sein ... und schön langsam wurde es dämmrig. Schließlich erreichten die Beiden den Wanderweg, aber wo war die Brücke die über den Fúlakvísl zur Hütte führt - rechts oder links? Offensichtlich schlugen sie erst die falsche Richtung, rechts, nach Norden, ein und als ihnen schließlich ihr Irrtum dämmerte war es auch schon ziemlich duster. In der aufziehenden Dunkelheit lockte sie ein Licht in Richtung der vermeintlichen Hütte, aber das Licht kam wohl nur von einem späten Fahrzeug auf dem Kjalvegur. Mittlerweile war es Nacht und die Beiden hatten den Weg verloren. Sie verbrachten die Nacht in ihre Schlafsäcke gewickelt und durch Plastiktüten notdürftig geschützt in einer moosigen Lavakuhle im Freien. Mit Tagesanbruch sind sie dann nach Süden, Richtung Hvítárnes, aufgebrochen. "What a crazy day - everything got wrong - everything!"

Ich werfe erst mal einen heißen Tee an und schlachte meine bisher unangetastete Salami für ein Frühstück für die beiden. Der einen leihe ich meine Faserpelzjacke und anderen schließlich meinen warmen Daunenschlafsack, damit sie noch ein bis zwei Stunden Schlaf nachholen können. Ich habe es ja heute Morgen nicht eilig.

Markus
Gegen 10:00 Uhr bricht Markus Richtung Hveravellir auf. Ich habe nun Zeit die Aufzeichnungen von gestern und heute Morgen nachzuholen. Der Wind hat aufgefrischt und auf Nord gewechselt. Es ist bewölkt mit einigen Aufhellungen. Wenigstens ist es trocken. Markus mit seinem System das Gepäck auf seinem Gepäckträger in die Bodenplane seinen Zeltes einzuwickeln nicht zufrieden. Irgendwie findet das Wasser immer seinen Weg nach innen.

Von einer der Isländerinnen erfahre ich mehr über die vermissten Deutschen. Scheinbar waren sie zum Eisklettern auf dem Svínafellsjökull. Ihr Zelt wurde gefunden, aber von ihnen selbst fehlt jede Spur. Vielleicht sind sie schon seit Wochen abgängig. Eine letzte SMS wurde im Juli von Skaftafell aus abgesetzt. Ihr Verschwinden wurde erst bemerkt, als sie nicht zu ihrem Rückflug erschienen. Die Tour soll nicht beim Rettungsdienst Landsbjörg angemeldet gewesen sein.

Hvítárnes
Klopfe kurz vor 12:00 Uhr bei den beiden Mädel an. Also wenn sie den Hochlandbus noch erreichen wollen ... Beide liegen zusammen in einer Koje und haben meinem Daunenschlafsack über sich gebreitet. "We need some more sleep and will stay until tomorrow. Kein Problem - mir gefällt es hier und ich beteuere mir selbst, daß ich es ja nicht eilig habe irgendwo hin zu kommen. Ich lese ein wenig und versuche ein Nickerchen. Das will mir aber nicht gelingen. Trotz dicker Socken habe ich eiskalte Füße und das hält mich wirksam wach. Kann man nichts machen - mein Schlafsack hat im Moment wichtigere Aufgaben zu erfüllen.

Norðurjökull
Am Nachmittag rühren sich die beiden Mädels wieder und neue Besucher sind eingetroffen. Die beiden Isländerinnen verschaffen sich schnell eine Mitfahrgelegenheit nach Hveravellir und so kann ich von den beiden nur noch ein Bild vor der Hütte machen und schon bin ich wieder alleine. Schade, ich hatte mit netter Gesellschaft gerechnet. Jetzt selbst noch nach Þverbrekknamúli aufzubrechen habe ich keine Lust - es ist schon zu spät. Ich ziehe in das vordere Zimmer der Hütte um - da habe ich Abendsonne - sollte sie denn wieder herauskommen. Suche in der Umgebung der Hütte nach Heidelbeeren, finde aber nur einzelne Exemplare die sofort im Mund landen. Dafür gehen mir einige schöne Birkenpilze ins Netz und somit setze ich heute Spaghetti con funghi auf die Abendkarte.

Dachgiebel
Später spaziere ich noch zur ersten Warte des "Alten Kjalvegur" der nur 100 Meter östlich der Hütte beginnt aber von Nichteingeweihten schon mal übersehen wird. Ein einfaches Hinweisschild wäre hier hilfreich. Zwei Wochenendjäger fahren vor, trollen sich aber bald wieder.


Hvitárnes am Abend

Lese im Hüttenbuch. Viele Eintragungen in französischer Sprache und überwiegend begeistert. Aber auch einige kritische Stimmen, welche die fehlende Wasserversorgung und die sehr primitive Toilette beanstanden. Den Vogel schießt allerdings ein Schweizer aus Grindelwald ab, der sich eine Seite lang über den schlechten Zustand, die ungerechtfertigten 2000 kr Übernachtungsgeld beklagt und schreibt: "Sollte das hier einladend sein, dann empfehlen wir eine Grundreinigung und Neueinrichtung als Minimum, besser Totalabriss und Neubau der Hütte zumindet im Standard der Þjófadalir Hütte" Immerhin kamen Ende Juli und im August mehrere Leute des FÍ hierher um den Zustand der Hütte zu begutachten und die Arbeiten an der Wasserversorgung sind ja sichtbar im Gange.


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