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Im Gegensatz zu der sonst üblichen Methode,
nach der Ankunft bei einer Farm die Pferde der Obhut
des Farmers anzuvertrauen, von dem man hofft, daß
er ihnen gute Weide anweist (die man meist mit 20 0re
pr. Pferd für eine Nacht bezahlt) hatten wir am Keilir
herrliches Gras umsonst, da sich meilenweit keine An-
siedlung befand.
Ganz nahe an dem von Herrn Reck ausgekundeten,
wunderhübschen Zeltplatz dampften, leise schnurrend
gleich behaglichen Kätzchen, einige harmlose Solfatärchen.
Der Keilir, ein schöner Palagonitberg, 389 m hoch,
durch die seine Flanken bedeckenden Schutthalden
einer Pyramide gleich, beherrschte das vor uns liegende
flache Land, welches sich nord- und westwärts über
die Lava bis zum Atlantic ausdehnte.
Morgen mußten wir wieder in Reykjavík eintreffen,
so blieben uns nur die Nachtstunden zu einer
Besteigung des Berges. Wir wetteten, während wir unser
Mittagessen, angesichts des wundervollen Panoramas,
vorm Zelt auf dem Grasteppich sitzend einnah men,
wie lange Zeit wir dazu brauchen würden; — nach den
trüben Erfahrungen des gestrigen Fasttages schlug ich
es — bei anderthalbstündiger Rast auf der Spitze —
mit fünf Stunden doch zu hoch an und verlor um zehn
Minuten!
Gleich nach dem Essen, um halb 11 Uhr p. m.
machten Reck und ich uns auf. Sigurður blieb am
Zelt, da er auf die Pferde achten sollte; eine Vorsicht,
die sich diesmal als sehr nützlich erwies, da dieselben,
trotz gekoppelter Vorderfüße dreimal auskniffen und
wir sie, wären sie sich selbst überlassen geblieben, sicher
einen Tag lang hätten zusammensuchen müssen.
Im rosigen Abendschein gingen wir die steilen
Vorhügel der Trölladyngja hinab und gelangten bald
zu einem alten wilden Lavastrom. Bis zu 5 m hohe Zacken
starrten empor. Die finstere Wildheit, welche unbe-
wachsene Laven auszeichnet, war hier durch ein silber-
graues Flechtenkleid, welches in einer Dicke von ca. 15cm
alles gleichmäßig einhüllte, gedämpft. Tief sank der
Fuß ein in diesen herrlichen Naturteppich, der nur
leider nicht auf ebener Fläche ausgebreitet war, jeden
Schritt mußte man vorsichtig balanzierend wählen.
Nach einer halben Stunde mühsamen Kletterns auf
diesem Terrain erreichten wir wieder glattere Lava.
Einige Spöis begleiteten uns. Ihre melancholischen
Rufe waren auch hier die einzigen Laute, die auf viele
Meilen in der Runde vernehmbar waren.
Je mehr wir uns dem Fuße des Keilir nahten,
um so finsterer und steiler zeigte er sich und um so
unmöglicher erschien es mir, diese Schuttwände zu
erklimmen. Herr Reck amüsierte sich sehr über meine
Kriecherei auf allen Vieren, aber schließlich gelang es
mir doch, den Gipfel zu erreichen.
Der Ausblick von hier war alle Mühen wert.
Weit dehnte sich die Halbinsel Reykjanes nach
allen Seiten um uns aus, in dem reinen, klaren Licht
der Sommernacht, das nur grellste Töne dämpfte, war
jeder ferne Berg deutlich erkennbar. Gegen Osten
begrenzte die Trölladyngja den Blick. Südwärts
verloren sich einzelne Bergzüge und -stocke bis zum Kap
Reykjanes. Nach Norden erfüllten Lavaströme vom
Fuße des Berges bis zum Meer die Ebene, ihre
Wildheit zeigte sich von unserer Höhe nicht, Vegetation
gab ihnen zartgrünlichen Schimmer, ihre Schatten
zerflossen in violetten Tönen. Und weit übers Meer, jenseits
des breiten Faxa-Fjordes, erstieg aus einer Entfernung
von 120 km, wie aus Duft und Glanz gewoben, der 1800 m
hohe, von ewigem Gletscher bedeckte Snæfellsjökull
(spr. ßnaifelsjöküddl). Die zackige Silhouette, der
sich westwärts in die Ozeanweiten erstreckenden
Snæfells-Halbinsel, hob sich in zartem Blau gegen den
kristallklaren Himmel, den die wiederaufgehende Sonne
in allen lichten Tönen von Gelb bis zum wärmsten
Rot durchglühte.
Es war eine genußreiche Stunde, während welcher
wir beide in der atemlosen Stille der hellschimmernden
Mittsommernacht mit großem Eifer unserer Tätigkeit
oblagen. Herr Reck beschäftigte sich mit wissenschaft-
lichen Notizen, während ich mich bemühte, in einer
Farbenskizze die wundervollen Töne der Landschaft
festzuhalten.
Der Abstieg ging verhältnismäßig schnell von
statten, fast immer konnte man in meterlangen
Rutschschritten die steilen Schutthalden hinabgleiten. Die
Kletterei über die Lava, die wir uns abzukürzen gedacht
hatten, ward dagegen unerwartet mühevoll und
langwierig, und ich war recht froh um 3 1/2 Uhr a. m. in heller,
warmer Sommersonne, den Zeltplatz wieder zu erreichen,
wo die Ruhe als Lohn wartete.
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