Ina von Grumbkow

Ísafold
Reisebilder aus Island

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Online Version erstellt von Dieter Graser

Kapitel III.

Am Keilir.


Im Gegensatz zu der sonst üblichen Methode, nach der Ankunft bei einer Farm die Pferde der Obhut des Farmers anzuvertrauen, von dem man hofft, daß er ihnen gute Weide anweist (die man meist mit 20 0re pr. Pferd für eine Nacht bezahlt) hatten wir am Keilir herrliches Gras umsonst, da sich meilenweit keine An- siedlung befand.

Ganz nahe an dem von Herrn Reck ausgekundeten, wunderhübschen Zeltplatz dampften, leise schnurrend gleich behaglichen Kätzchen, einige harmlose Solfatärchen. Der Keilir, ein schöner Palagonitberg, 389 m hoch, durch die seine Flanken bedeckenden Schutthalden einer Pyramide gleich, beherrschte das vor uns liegende flache Land, welches sich nord- und westwärts über die Lava bis zum Atlantic ausdehnte.

Morgen mußten wir wieder in Reykjavík eintreffen, so blieben uns nur die Nachtstunden zu einer Besteigung des Berges. Wir wetteten, während wir unser Mittagessen, angesichts des wundervollen Panoramas, vorm Zelt auf dem Grasteppich sitzend einnah men, wie lange Zeit wir dazu brauchen würden; — nach den trüben Erfahrungen des gestrigen Fasttages schlug ich es — bei anderthalbstündiger Rast auf der Spitze — mit fünf Stunden doch zu hoch an und verlor um zehn Minuten!

Gleich nach dem Essen, um halb 11 Uhr p. m. machten Reck und ich uns auf. Sigurður blieb am Zelt, da er auf die Pferde achten sollte; eine Vorsicht, die sich diesmal als sehr nützlich erwies, da dieselben, trotz gekoppelter Vorderfüße dreimal auskniffen und wir sie, wären sie sich selbst überlassen geblieben, sicher einen Tag lang hätten zusammensuchen müssen.

Im rosigen Abendschein gingen wir die steilen Vorhügel der Trölladyngja hinab und gelangten bald zu einem alten wilden Lavastrom. Bis zu 5 m hohe Zacken starrten empor. Die finstere Wildheit, welche unbe- wachsene Laven auszeichnet, war hier durch ein silber- graues Flechtenkleid, welches in einer Dicke von ca. 15cm alles gleichmäßig einhüllte, gedämpft. Tief sank der Fuß ein in diesen herrlichen Naturteppich, der nur leider nicht auf ebener Fläche ausgebreitet war, jeden Schritt mußte man vorsichtig balanzierend wählen. Nach einer halben Stunde mühsamen Kletterns auf diesem Terrain erreichten wir wieder glattere Lava. Einige Spöis begleiteten uns. Ihre melancholischen Rufe waren auch hier die einzigen Laute, die auf viele Meilen in der Runde vernehmbar waren.

Je mehr wir uns dem Fuße des Keilir nahten, um so finsterer und steiler zeigte er sich und um so unmöglicher erschien es mir, diese Schuttwände zu erklimmen. Herr Reck amüsierte sich sehr über meine Kriecherei auf allen Vieren, aber schließlich gelang es mir doch, den Gipfel zu erreichen.

Der Ausblick von hier war alle Mühen wert. Weit dehnte sich die Halbinsel Reykjanes nach allen Seiten um uns aus, in dem reinen, klaren Licht der Sommernacht, das nur grellste Töne dämpfte, war jeder ferne Berg deutlich erkennbar. Gegen Osten begrenzte die Trölladyngja den Blick. Südwärts verloren sich einzelne Bergzüge und -stocke bis zum Kap Reykjanes. Nach Norden erfüllten Lavaströme vom Fuße des Berges bis zum Meer die Ebene, ihre Wildheit zeigte sich von unserer Höhe nicht, Vegetation gab ihnen zartgrünlichen Schimmer, ihre Schatten zerflossen in violetten Tönen. Und weit übers Meer, jenseits des breiten Faxa-Fjordes, erstieg aus einer Entfernung von 120 km, wie aus Duft und Glanz gewoben, der 1800 m hohe, von ewigem Gletscher bedeckte Snæfellsjökull (spr. ßnaifelsjöküddl). Die zackige Silhouette, der sich westwärts in die Ozeanweiten erstreckenden Snæfells-Halbinsel, hob sich in zartem Blau gegen den kristallklaren Himmel, den die wiederaufgehende Sonne in allen lichten Tönen von Gelb bis zum wärmsten Rot durchglühte.

Es war eine genußreiche Stunde, während welcher wir beide in der atemlosen Stille der hellschimmernden Mittsommernacht mit großem Eifer unserer Tätigkeit oblagen. Herr Reck beschäftigte sich mit wissenschaft- lichen Notizen, während ich mich bemühte, in einer Farbenskizze die wundervollen Töne der Landschaft festzuhalten.

Der Abstieg ging verhältnismäßig schnell von statten, fast immer konnte man in meterlangen Rutschschritten die steilen Schutthalden hinabgleiten. Die Kletterei über die Lava, die wir uns abzukürzen gedacht hatten, ward dagegen unerwartet mühevoll und langwierig, und ich war recht froh um 3 1/2 Uhr a. m. in heller, warmer Sommersonne, den Zeltplatz wieder zu erreichen, wo die Ruhe als Lohn wartete.


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