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Ein paar hübsche Zimmer waren bereit für uns
mit dem Ausblick auf den tiefblauen, im Sonnenschein
blitzenden Eyjafjord.
Nach geraumer Zeit, während welcher Herr Reck
unsere langen Telegramme in die Heimat von dem
gegenüberliegenden Bureau aus besorgte, hatte ich mir
wieder zu einem Aussehen verholten, welches mich
table-d'hôte fähig machte. Wir fanden unsere von
Herrn Zoega in Reykjavík der „Ceres" mitgegebenen
Koffer in unseren Zimmern vor. Originellerweise
trugen dieselben als Adressen nicht unseren Namen,
sondern waren beschrieben: Útlenskferđafolk.
Fylgdamađur Sigurđur Sumarlidason. Was
so viel heißt wie: Auslandreisende. Führer
Sigurđur Sumarlidason. Ein Verfahren, das bei
uns zu Lande kaum ohne vorherigen ernsten Konflikt
mit verschiedenen Behörden zu befriedigender Lösung
führen könnte. Die Behörde braucht aber der
glückliche Isländer nur Sonntag nachmittags, wenn
norwegische Fischer anfangen sich in den Straßen ihren
Fang um die Ohren zu schlagen.
Ich gewöhnte mich sehr schnell wieder als
gesitteter Mensch mit Tellern und Tassen zu verkehren
und ohne Nagelstiefel auf ebenen Dielen
herumzuwandern, nur das Treppensteigen erschien als
unnatürliche Fortbewegungsart.
Wenn auch die Betten im „Hotel Akureyri" eine
ganz eigenartige Konstruktion aufwiesen, — die
Sprungfedern wurden repräsentiert durch drei schmale Bretter,
welche gleichmäßig verteilt das Unterbett notdürftig
im Hohlraum erhielten, — so fanden wir es doch ganz
herrlich einmal aus dem Schlafsack heraus zu sein
und genossen dankbar selbst diese mangelhafte
Einrichtung.
Die Verpflegung im Hotel war sehr gut, — nur
fühlten wir, die wir an 1/4 Pfund Schokolade im Laufe
der ersten zwölf Tagesstunden gewöhnt waren, uns über-
füttert, und der Fische, die uns in geräuchertem, gebratenem,
gekochtem, mariniertem, geöltem und sonstigem Zustand
morgens und abends zu Teil wurden, waren wir nach
zwei Tagen mehr als überdrüssig. Am besten gefiel
uns der morgens früh um 6 Uhr beim Wecken servierte,
wie stets in Island vorzügliche Kaffee mit Kuchen.
Um 9 1/2 Uhr früh fanden sich dann alle Hotelgäste
zu einem üppigen Gabelfrühstück mit warmer Vorlage
zusammen, das von Bier, Kaffee oder Tee begleitet
ward, und wir bewunderten den gesegneten Appetit
unserer Mitbewohner, nicht minder ihren Durst.
Unser Hôtelvater, Sigfus, der beim Essen
präsidierte, verwaltete die Schnäpse in freigebigster Weise,
und das Factotum Björn trug beständig neue Bierflaschen,
Kopenhagener und Bergener Brauereien herbei. Um
2 Uhr gab es ein gutes, einfaches Mittagessen, um
8 Uhr Abendbrot und um 5 Uhr ein für allemal Tee
in meinem Wohnzimmer, zu dem Herr Reck fast alle
Kuchen allein aufaß, mich durch die Bemerkung tröstend,
daß diese ganze Teetrinkerei überhaupt ein furchtbarer
Unsinn sei.
Tatsächlich scheint's hiernach, als hätten wir in
Akureyri nur gegessen und getrunken, wir hatten aber
sehr viel nützliche Arbeit außerdem auszuführen.
Wir mußten für unsere Askja-Expedition jetz
wieder alle geleerten Packkisten mit den, durch die
„Ceres" von Reykjavík überführten Kisten unserer
aus Deutschland mitgebrachten Vorräte füllen, alle
nötigen Reparaturen am Sattelzeug wurden gemacht,
alle Pferde frisch beschlagen und außerdem war manches
an unserer eigenen Kleidung zerschlissen und beschädigt.
Der uns in Reykjavík empfohlene tüchtige Photograph
entwickelte ungefähr zehn Dutzend Aufnahmen für uns,
die wir, so weit unsere Zeit es erlaubte, bestimmten
und numerierten.
Wir sahen Herrn Dr. Küchler, der uns bezüglich
unseres Sprengisandurrittes seine große Anerkennung
aussprach. Er stand im Begriff mit dem „Ingolf" nach
Deutschland zurückzureisen, nach einigen für ihn
insofern besonders mühevollen Rittwochen, als er sich
beim Beginn seiner Reise eine Knieverletzung
zugezogen hatte. Trotzdem hatte er mit großer Energie
die ursprünglich entworfene Route innegehalten, dabei
hunderte von photographischen Aufnahmen gemacht,
die ihn zwangen, ungezählte Male vom Pferde
abzusteigen.
Herr Reck unternahm mit dem Sohne des be-
kannten isländischen Dichters Matthias Jochumssón einen
Ritt zur nahegelegenen Farm Gil, bei welcher in
jüngster Zeit interessante paläontologische Funde ge-
macht worden sein sollten, doch war es, wie so oft in
solchen Fällen — nichts.
In derselben Zeit genoß ich skizzierend einige
herrliche Ruhestunden auf meinem Balkon. Nur ein
Holzstapelplatz lag zwischen dem Hotel und dem Eyja-
fjord, der in der wechselnden Beleuchtung bald schwarz-
blau, bald tiefgrün, bald in lichten Tinten erschien.
An der gegenüberliegenden Seite erhebt sich die steile
Basaltwand der Vđlaheiđi.
Im Fjord lagen mehrere große Segler, ein kleiner
dänischer Panzer, einige Passagierdampfer und eine
französische Yacht, deren Besitzerin wir schon am
Thingvellirvatn gesehen. „They say the lady has an
immense lot of money and is a relation to Napoleon!"
berichtete uns damals Sigurđur.
Kleine Boote mit braunen, eines mit
zinnoberfarbenem Segel belebten die Wasserfläche,
an deren Ufer
entlang die Straße zur Vorstadt Oddeyri führt. — Wir
besuchten dort die liebenswürdige Familie Havsteen,
deren Sohn uns schon bei der Seereise von Kopen-
hagen ein angenehmer Gesellschafter war. Wir genossen
in ihrem Hause herzliche Gastfreundschaft und lernten
wieder einmal das große Behagen kontinentaler Zivili-
sation schätzen, sehr bedauerten wir, daß unser Auf-
enthalt in Akureyri so kurz bemessen war, daß uns
nicht mehr Stunden des Zusammenseins mit diesen
lieben sympathischen Menschen vergönnt waren.
Unser Hauptführer Sigurđur Sumarlidason, dessen
eigene Farm eine deutsche Meile nordwärts Akureyri's
lag, war froh jeden Abend zu Frau und Kindern zu-
rückkehren zu können; manche Tagesstunde war er
in Akureyri für uns, unter anderem als Dolmetscher,
unentbehrlich.
Schön waren diese sonnigen Ruhetage für uns,
eigenartig die dämmerhellen, lauen Nächte, so nahe
dem Polarkreis.
Dicht vor dem Hôtel lag am Quai ein großes
Handelsschiff, das die ganze Nacht hindurch Tonnen mit
gesalzenen Fischen lud, — regelmäßig rollte knirschend
die Eisenkette des Krahns, eine rote Laterne im Mast
versuchte ihren Schein im fahlen Zwielicht geltend zu
machen, das behagliche Schwatzen der Matrosen war fast
verständlich. Auch hier in Akureyri vereinzelte Reiter, die
in den Nachtstunden durch die lange Hafenstraße weiter
nach Norden sprengten, auch hier wie in Reykjavík
die ganze Nacht murmelnde Stimmen an den Haus-
türen, auf der Straße und Ruderschläge im Fjord.
Den nahen Gleráfall am Fuße des mit
schneerfüllten Karen geschmückten Stórihnúkur sahen wir
in arbeitsfreier Abendstunde. Schäumend und brausend
zwängt sich die braungelbe Glerá durch den tiefdunklen
Basalt, der von saftiger Grasdecke bezogen ist. Zarte,
leuchtende Blüten verzieren den grünen Teppich, der
sich zu den Bergen ansteigend in bräunlichem
Heideland verliert. In friedevollem Schweigen erheben sich
über dem Ganzen in der Ferne duftig verschwimmende
rötliche Basalthöhen.
Die Photographie, der die Farben meiner Skizze
fehlen, und die folgenden Strophen können zwar die
Schilderung unterstützen, geben aber doch nur
unvollkommen den Eindruck wieder von der schönen
einsamen Bergszenerie der Nordlandfjorde.
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Am E y j a f j o r d.
Glitzernde Gletscher glänzen am Eyjafjord,
Einsam verklingend verweht dort dein Wort,
Wendend dein Sehnen und Sorgen vom heuf
Wanderst du träumend zum Urquell der Zeit.
Ragende Riesen umraunen den Grund,
Tragen die Sagen von Munde zu Mund,
Schweigende Schätze schlummern im Tal,
Taufrisch erweckt sie nur, Sonne dein Strahl.
wallende Wogen umwühlen den Saum,
Zeiten zerfließen wie Wellen und Schaum,
Isafold's Schönheit, ihr Zauber besteht,
Ob auch der Atem der Menschheit vergeht.
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Nach vier Tagen Aufenthaltes in Akureyri war
alle vorbereitende Arbeit für die Askja-Expedition
beendet.
Unser neuer, zweiter Führer, Trygve Isleifsson,
war am Mittwoch mit den Packpferden vorausgeritten
und am folgenden Tage wollten wir ihn in Skútustađir
am Mývatn erreichen.
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