6. Tag, Langjökull

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Dieter Graser © 2006

Freitag. 8. Juli 2005


Wegen des Sturmes mit Ohrstöpsel geschlafen und den Wecker überhört. Immer noch heftiger Wind. Der schwere Schnee hat die Luvapsis soweit eingedrückt, daß ich den Hinterausgang durch die Leeapsis nehmen muß um nach draußen zu gelangen. Macht nichts - das Zelt hat ja zwei Eingänge. Kleide mich wetterfest an, setze die Skibrille auf und schnappe mir die Schaufel. Draußen fallen mich heftige Böen an, kann man schon einen richtigen Schneesturm nennen. Die Sicht ist mies. Wenige Zehnermeter um das Zelt herum verschwimmt alles in einem hellen, jagendem Grau. Ich räume die Luvseite des Zeltes frei und baue ein Windschutzmauer. Nach einer guten halben Stunde müde und durchgeschwitzt wieder zurück ins Zelt.

Den Tee von gestern aufgewärmt und dazu zwei Müsliriegel als Frühstück. Um 10:00 Uhr wird es etwas heller. Ein paar mal kommt sogar die Sonne für eine Minute durch. Wird das Wetter besser? Nutze eine ruhigere Pahse für einen nötig gewordenen "Spatengang". Muß ein tolles Bild abgeben. Mit Skibrille, Gesicht gegen den Sturm, in Abfahrtshocke und heruntergelassenen Hosen. Ein kurzes Rascheln läßt mich ahnen, daß soeben der Wind die Hälfte meiner sowieso knappen Toilettenpapiervorräte entführt hat - Sch....

Gegen Mittag nimmt der Wind wieder deutlich zu. Das Zelt wird geschüttelt und gebeutelt und macht einen Höllenlärm. Regen, Schnee, oder was auch immer, peitscht gegen die rechte Zeltwand. Ich leide mit dem Zelt. Ein kurzes Nickerchen ist nur mit Ohrstöpsel möglich. Sie dämpfen ein wenig das Heulen und Pfeifen des Windes weg und so klingt es nicht ganz so dramatisch.

Sturm
Um 15:00 Uhr stelle ich fest, daß mir die Windschutzumauer zwar effektiv die Luvapside des Zeltes freihält, aber inzwischen ist die Leeapside dabei von einer Schneewehe begraben zu werden. Also wieder raus zum Schaufeln! Der Schnee ist ist durch den Wind festgepresst und schon beim zweiten Schaufelstich schießt mir plötzlich ein höllischer Schmerz ins Kreuz. Scheiße - das tut weh! Jetzt bloß keinen Hexenschuß. Seit 48 Stunden liege ich im Zelt auf der Isomatte rum, so was spüre ich immer ein wenig im Kreuz, aber nicht so wie jetzt. Langsam versuche ich mich wieder zu bewegen. Es geht einigermaßen, nur Bücken kann ich mich nicht mehr. Mein Rücken ist blockiert. Im Schnee knieend schaufle ich mühsam das Zelt frei und verlängere die Windschutzmauer um die Schneewehe vom Zelt abzulenken. Jede Bewegung ist langsam und schmerzt. Erschöpft, außer Atem und mit durchnäßtem Anorak krieche ich nach etwa einer Stunde wieder in das Zelt zurück. Ich weiß nicht wie ich es schaffe meine Siefel auszuziehen

Meine Moral ist am Boden. Ich kann einigermaßen schmerzfrei liegen. Aber ich bin hier festgenagelt und muß auf "Bo Hilleberg" vertrauen. Spätestens alle Stunde kontrolliere ich den Schneeanraum und versuche ihn von innen wegzudrücken und das Zelt mit der Schaufel abzustüzen. Langsam beginne ich mir schon etwas Sorgen zu machen. Ich muß abwarten wie es mir morgen geht. Wie es wohl die drei Salzburgern auf dem Vatna geht? Haben sie ähnlich schlechte Verhältnisse? Checke um 21:00 Uhr noch mal das Zelt. Das Wetter ist unverändert schlecht, kaum Sicht und heulender Sturm. Versuche in dem Lärm zu schlafen.


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