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7. Tag; Snæfell - Hrafnkelsdalur

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Copyright © Dieter Graser

Samstag 8. August 1998

Wecker überhört und erst um 6:30 Uhr auf. Ruhiges Wetter mit hohen Wölkchen. Um 8:30 Uhr verabschiede ich mich von Rannveig und nehme die Piste nach Norden unter die Stiefel. Schon nach einer halben Stunde wird mir die Jacke zu warm und sie kann für den Rest des Tages hinten am Rucksack bleiben. Heute 24 km bis ins Hrafnkelsdalur - 110 km in den nächsten 5 Tagen bis nach Herðubreiðarlindir, zu den Quellen des Herðubreið, das ist die mittlere Etappe dieser Tour. Zum ersten mal gehe ich wieder auf einer Piste. Auf der ersten Etappe mußte ich bei jedem Schritt aufpassen wohin ich die Füße setzte, jetzt brauche ich kaum noch auf den Weg zu schauen und kann den Blick schweifen lassen. Allerdings wird das Gehen dadurch auch eintöniger und ich ertappe mich am Anfang dabei, daß ich häufig auf die Uhr sehe und überrascht feststellen muß, daß weniger Zeit verstrichen ist als ich annahm. Trotzdem komme ich flott voran.

Snæfell Piste

Erst geht es an der Westflanke des Snæfells entlang. Eine erste Furt beschert mir ein Fußbad. Dann über eine weite Kiesebene. Im Süden das weiße Band des Vatnajökull mit dem Massiv der Kverkfjöll. Dann weiter im Westen die Berge der Askja und wenn ein Berg dieses Adjektiv verdient dann er, majestätisch wie immer, der Herðubreið! Obwohl es flach dahingeht ist es nun doch recht abwechslungsreich. Immer wieder schöne Bäche mit klarem Wasser. Nach der Einmündung der von Egilstaðir kommenden Piste entdecke ich ab und zu einen einzelnen Stiefelabdruck im Staub der Straße. Irgendwo vor mir muß noch ein einzelner Wanderer unterwegs sein. Am Nachmittag wird es richtig warm und ich kann auch noch die Ärmel hochkrempeln. Gegen 15:00 Uhr frustriert mich, wenn auch nur kurz, der Weitblick, der mir den Pistenverlauf bis zum Horizont offenbart. Aber bewegt sich dort nicht ein kleiner Punkt? Ich schätze die Entfernung auf gut und gerne 2 km. Die Piste ist zwar einfach zu gehen, aber die Fußsohlen spüren die Kilometer diese Tages als hätte ich Glühstrümpfe und keine Wandersocken an den Füßen.

Endlich um 16:00 Uhr erreiche ich den höchsten Punkt eines langgezogenen Höhenrückens und der Abstieg in das grüne Hrafnkeldalur beginnt. Die Piste ist steil und steinig. Meistens gehe ich im Sand neben der Piste oder weiter unten dann über die Heidewiesen, nur um den unangenehmen Schotter zu vermeiden und die Kniegelenke zu schonen. Kurz über dem Tal treffe ich dann meinen einsamen "Vorgänger" bei einer Rast und Fußpflege am Pistenrand. Nach Augenschein begrüße ich ihn mit einem "Servus" und setze mich zu ihm. Mit dem "Servus" liege ich nicht falsch, denn wie es sich herausstellt er ist aus Jenbach in Tirol. Er wollte eigentlich mit dem Radl quer durch Island fahren, aber ÖBB und DB haben ihm seinen Drahtesel verschlampt, so daß er in Hamburg entweder diesen oder die Fähre sausen lassen mußte. Also macht er seine Tour eben zu Fuß "...halt so 30, 35 Kilometa am Tag, des brauch i, des ischt net einfoch, oba des mog i!" Mit großem Rucksack, Fahrradtaschen in der einen und einen Straßenmarkierungspfahl als Wanderstock in der anderen Hand. Seine Füße sehen nicht besonders gut aus, aber er will zur Askja und dann über den Sprengisandur hinunter nach Landmannalaugar. Ich kann ihm ein paar Tips für die Route geben, dafür zieht er aus seinem Rucksack eine Speckseite von mindesten 3-4 Kilo ".. schneid Dir was oba - mir isch es eh z´schwar". Wenigstens war er schon zweimal in Island und weiß so ungefähr, was ihn erwartet, aber solche Tagesetappen wären nichts für mich.

Wir verabschieden uns und ich folge dem kleinen Bach gleich rechts neben der Piste. Keine 200 Meter weiter finde ich einen schönen, geschützten und grasigen Platz für das Zelt. Als es aufgebaut ist stürmt der "Jenbacher", wie ich ihn nun bei mir nenne, auf der Piste vorbei - anscheinend fehlt noch etwas zu seinen 35 Kilometern. Vielleicht sehen wir uns auch noch einmal.

Liege neben dem Zelt in der Sonne. Auf der anderen Talseite fährt der Bauer vom Hof Aðalból mit dem Heuwender auf dem letzten Heufeld vor dem Gletscher. Nach dem Kochen und Abendessen bringe ich die Aufzeichnungen auf den Stand. Um 22:00 Uhr ist das Wetter immer noch ideal und der Bauer fährt drüben immer noch mit dem Heuwender auf seiner Mähwiese herum. Aber ich werde mich jetzt vom Bach in den Schlaf murmeln lassen oder lese erst noch ein paar Seiten.


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8. Tag Hrafnkeldalur - Fiskidalur