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In den kurzen Wachphase der ruhigen Nacht habe ich versucht zwischen Bach- und Regengeräuschen zu
unterscheiden und war der Meinung, daß oft nur der Bach allein zu hören war. Allerdings kann der typische
"Drizzle" so fein sein, daß man ihn selbst auf dem Zelt nicht hört. Um so beruhigender, die Aussichten jetzt
um 6:00 Uhr. Eine dünne, hohe Wolkendecke mit 7/8, die sich durchaus auch noch auflösen könnte.
Sieht gut aus. Nach dem Frühstück ist aber erst mal alles ringsum von lichtem Nebel verschluckt. Um 8:30 Uhr
schließlich Aufbruch. Noch ein paar Worte mit den Holländern und Amerikanern gewechselt, dann langsam
den Hang hinter der Hütte hinauf. Der Nebel verzieht sich zunehmend. Nach ein paar flachen Hügeln
(Dünen?) aus schwarzem Sand führt die durch einzelne gelbe Pfähle markierte Pfadspur in eine
einem ausgetrockneten See gleichende Ebene. Mitten in dieser trostlosen Fläche aus schwarzem Grus und
Sand steht der kegelförmige Hattafell (Hutberg). Seine moosbewachsenen, steilen Flanken bilden einen eigenartigen,
grünen Farbkontrast zu der schwarzen Sanderfläche ringsum. Leider versteckt der Hattafell seinen
charakteristischen Hut in den niederen Wolkenfetzen, die um die Berge ziehen. Es geht gut voran, aber irgendwie
drückt der Rucksack heute besonders - vor allem auf die linke Schulter. Im Gegensatz zur Karte führt der
Weg nicht westlich und dann nördlich der Hügelkette der Útigönguhöfðar vorbei,
sondern durch einen Taleinschnitt zwischen ihnen hindurch. Dann weiter über den vegetationslosen Sander bis
der Pfad kurz vor der Brücke über die Innri-Emstruá die Mælifellsandur-Piste erreicht. Der
Fluß führt ordentlich Hochwasser und ab und zu hört man deutlich den Geschiebetrieb. Kurze Pause. Es ist kühler geworden. Die kurzen Ahnungen von Sonne während des Vormittags haben
sich verflüchtigt. Ich ziehe die Jacke an. Bald ziehen auch schon weißliche Regenvorhänge vor den Gipfel
der Stórasúla (große Säule). Gerade jetzt, wo alles wieder einigermaßen trocken
wäre! Also Regensachen anziehen. Wanderer, einzeln, paarweise oder auch einmal in einer kleinen Gruppe
kommen mir auf der Piste entgegen. An der Furt über den Báfallakvísl ein Engländer, der nicht
nur den Rucksack seiner Freundin hinüberträgt, sondern danach noch diese selbst! Ich lasse einer Reitergruppe
den Vortritt und mache mich dann ans Waten. Während ich meine Schuhe wieder anziehe trifft noch ein junges,
französisches Paar ein. Sie peilen die Lage und lösen das Problem der Furt und der Tatsache, daß
sie nur ein Paar Plastiksandalen haben, auf demokratischere Weise als die Engländer: er zieht die rechte, sie die
linke Sandale an. Bleibt nur noch hinzuzufügen, daß die Briten mit ihrer Methode sehr viel mehr Spaß
hatten. Später, auf dem Weiterweg noch ein sehr unglücklich aussehendes Paar. Beide haben jeweils nur
einen Minirucksack, den Rest ihres Gepäcks schleppen sie in Reisetaschen die sie Plastiktüten von "Hagkaup"
gesteckt hatten. Die haben wohl sicher nicht gewußt, auf was sie sich da mit dem Laugavegur einlassen. Über den Kaldaklofskvísl führt ein Steg, der einem ein erneutes Fußbad erspart. Einen guten
Kilometer weiter steht dann die Hvanngil-Hütte. Ein kleiner, hübsch angelegter Zeltpatz zwischen schwarzen
Lavarücken ähnelt eher dem Green eines Golfplatzes. Kein Wunder, die Grasnarbe wurde extra von
Südisland hierher verpflanzt. Ich bin früh dran und es regnet, also spricht doch nichts gegen eine verspätete
Mittagspause im Trockenen. Die Hütte ist neu, geräumig, blitzsauber und gemütlich mit Holzmöbeln
eingerichtet - vielleicht eine Spur zu Ikea-mäßig. Der Hüttenwart ist die Freundlichkeit und die gute Laune
selbst und fast bedauere ich, daß ich nach einer Stunde weiter muß. Es regnet eher noch mehr, als daß es währendessen nachgelassen hätte. Der Weg zum
Álftavatn folgt zuerst der Piste und führt dann direkter über zwei kleinere Höhenzüge. Im
Tal dazwischen ist jedoch noch der Bratthálskvísl zu furten. Vom nächsten Höhenzug aus sieht
man dann schon den Álftavatn und die zwei Hütten unweit des Nordufers. Über den Seeabfluß
kann ich mich einigermaßen hinwegschwindeln. Nahe am Bach findet sich dann auch schnell eine schöner
Platz fürs Zelt. Ich gehe zur Hütte in der Hoffnung, daß dort meine Klamotten etwas trocknen können.
Die Hütte ist schon etwas älter und nicht so gemütlich wie die von Hvanngil. Es sind zwar noch nicht
viele Übernachtungsgäste eingetroffen, aber bald habe ich genug. Nerviger, bemüht hochdeutsch
sprechender, junger Schweizer, der betont wie schnell er diese und jene Strecke geschafft hat usw. Bezahle meine
Gebühr für das Zelt und nütze eine Regenpause für einen kleinen Spaziergang zum See. Es ist
windig, grau und die Wolken hängen naß und niedrig an den Bergen. Außer meinem steht nur ein weiteres
Zelt auf der weitläufigen Wiese. Üppiges Abendessen mit Brot und Leberwurst, Risi-Bisi, Schokolade und Tee. Morgen Früh drohen mir 500 Höhenmeter Aufstieg und der Berg steckt bis zum Fuß in der nassen
Suppe - keine erfreulichen Aussichten. Ein trockener Tag wäre nicht schlecht.
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7. Tag: Álftavatn - Hraftinnusker