8. Tag, Durch die Fögrufjöll

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Copyright © Dieter Graser

Donnerstag, 18. Juli 2002


Morgens kaum Wind, Regennieseln das sich ab und an zu einem Schauer verstärkt. Dann wieder Ruhe auf dem Zelt - könnte schlimmer sein. Heute muß ich zusehen, daß ich ein gutes Stück Richtung Sveinstindur vorankomme, wenn ich morgen bei der Hütte sein will. Das Zelt wird ziemlich naß verpackt. Ziehe auch den Anorak an, aber verzichte auf die Regenhose. Es wird immer deutlicher, daß der Wind auf Nordost gedreht hat. Sehr gut - alles aus dem Nordsektor ist mir willkommen, denn das sollte gutes Wetter in Südisland bedeuten. Mal sehen, was der Tag noch bringt.

Am zweiten See
Erst am Grasversvatn (ich nenne ihn mal so) entlang und dann der steile Aufstieg nach Westen zu der Scharte in der Kette der Fögrufjöll. Das sind 110 steile Höhenmeter, aber kein Problem. Von oben mache ich zum vorläufigen Abschied noch ein paar Photos von der Skaftá. Das Wetter bessert sich zusehends und mein Grinsen wird breiter und breiter. Für diesen Abschnitt der Tour habe ich mir gutes Wetter gewünscht, darum bin ich gestern in Grasver geblieben und habe abgewartet. Jetzt scheint meine Rechnung aufzugehen. Vor mir liegt der erste einer Reihe von Seen die zwischen den beiden Ketten der Fögrufjöll liegen. Der kleine See ist nur 500 m lang und ich umgehe in an seinem Ostufer. Über eine Schwelle geht es zum nur wenig größeren zweiten See. Diesen umgehe ich nun auf seiner Westseite. Mache eine kurze Pause und einen Photostop.

Fagrifjöršur
Über eine weitere Schwelle dann hinunter zum Fagrifjöšur, dem "Schönen Fjord", des Langisjórs. Und dieser trägt seinen Namen zu Recht - ohne Zweifel! Das tiefe, kristallklare Wasser reflektiert den Himmel in einem so leuchtenden Blau wie ich das noch selten gesehen habe. Steil, teilweise auch senkrecht fallen die umgebenden Berge in die Bucht des Fjords hinab. In der Mitte eine ebenso steile Insel. Ich habe bisher nur ein einziges Bld des Fagrifjöršurs gesehen und das war nur ein schwacher Abklatsch. Sicher, das Wetter heute spielt mit, denn bei trübem Regenwetter könnte sich dieser Zauber nicht entfalten. Was mir Sorge macht ist: wie komme ich nun weiter? Entweder weit oben im Steilhang des Háskanef - oh Graus! Oder am Steilufer direkt am Wasser. Versuche zweiteres.

Fagrifjöršur
Es geht einfacher als erwartet. Unter Stellen mit senkrechten Felswänden liegen Felsblöcke im Wasser oder es hat sich eine Strandbarre ausgebildet, deren schmale Stufe vom See nur knapp überspült ist. Aus der Entfernung sah es so aus, als würde sich die Felswand genauso steil in den See hinab vortsetzen. Sollte die Energiebehörde allerdings ihre Pläne verwirklichen und den Wasserspiegel des Sees durch einen Damm zu erhöhen, dann verschwindet dieser Weg. Jede der drei Buchten des Fagrifjöršur ist noch schöner. Mittlerweile habe ich Kaiserwetter. An der südlichen Bucht wäre sicher auch ein schöner Platz zum Verweilen. Ich verlasse diesen Traumplatz und steige ca 80 m in die nächste breite Scharte auf. Dort deponiere ich den Rucksack und steige weiter auf die flache Kuppe des Berges der den südlichen Eingang zum Fagrifjöršur begrenzt. Ich bin nun 150 Meter direkt über Langisjór und Fagrifjöršur. Das Licht ist blendend und die Luft so klar wie sie in Island nur sein kann. Das Azurblau des Fjords, die grünen Steilhänge und im Hintergrund der Vatnajökull. Über alles treibt ein heftiger und kalter Wind die Kummulanten wie Schafe über den Himmel. Ich schreie meine Freude aus mir raus, laß mich ins weiche Moos sacken und sauge das Bild in mich auf. Lange sitze ich so - wieder einer dieser Islandmomente, der sich einbrennt in mein Gedächtnis. Ich weiß selbst die Erinnerung daran wir mir noch lange Ruhe und Kraft geben. Versuche später ein Panorama des Langisjórs.


Panorama Langisjór

Kaum etwas unterhalb der Kuppe, auf der Südwestseite, bin ich aus dem ärgsten Wind heraus. Unten am See hatte ich ihn gar nicht gespürt. Meine Nikon bekommt richtig Arbeit und ich muß zwei mal den Film wechseln. Das Stativ setzte ich nur einmal ein, denn ich fürchte der Wind könnte es umwerfen. Bin froh, daß ich den Anorak noch aus dem Rucksack gekramt habe. Nach etwa einer Stunde gehe ich wieder hinunter zu meinem Rucksackdepot. Der weitere Weg liegt nun klar vor mir. Der nächste See liegt in einer weiten, flachen Senke. Um ihn herum schwarzer Sand wie in einer Wüste. Was für Gegensätze! Die nächste flache Schwelle führt zu einem gut zwei Kilometer langen See bei dem man am besten auch das Ostufer benutzt. Seit dem Fagrifjöršur finde ich immer mal wieder die Spuren von vier Vorgängern im Sand. Zwischen Steilhang und See wird es mühsam - sehr mühsam. Über die Hälfte der Strecke turne ich über grobe, verkeilte Felsblöcke von Halbmeter - bis Metergröße von Stein zu Stein. Ohne die Stöcke hätte ich mit meinem schweren Rucksack wohl kaum eine Chance heil durch diese Fallen zu kommen, auch wenn sie sich immer wieder in den Spalten zwischen den Blöcken verhaken. Jeder Fehltritt hätte hier einen bösen Sturz zur Folge.

Fögrufjöll
Über die nächste Scharte erreiche ich einen kleinen, runden See der auf allen Seiten von steilen Hängen umschlossen wird und deutlich den Charakter eines Kraters hat. Störe zwei Gänsefamilien, die empört zum gegenüberliegenden Ufer fliehen. Dann zur Abwechslung mal etwa einen Kilometer weit durch einen engen Talzug zum - na was wohl? - nächsten See. Auch dieser wird ostseitig über besonders ekelhaftes Blockwerk umgangen. Schön langsam werden meine Füße müde. Es ist 16:30 Uhr und ich beginne mich mit einem Auge nach einem Zeltplatz umzuschauen. Ich klettere über eine weitere Schwelle und steig zum letzten(?) großen See hinab. Ich erreiche eine fast geschlossene Bucht. Hier ist am Ostufer kein Durchkommen. Zu steil, teilweise senkrecht, fallen die Förgrufjöll hier zum See ab. Also weiche ich nach Westen, zu der schmalen, aber bergigen Landzunge aus, die sich genau auf den Sveinstindur hinzieht. Unterhalb der nur etwa 15 Meter hohen Schwelle zum Langisjór stelle ich mein Zelt in den Sand und suche schwere Steine zum Sichern der Heringe.

Zeltplatz an der Bucht
Es ist 17:30 Uhr und meine Stoffhütte steht. Eigentlich waren das heute nur 12 Kilometer, aber was für welche! Koche mir ein Chili con Carne. Danach an den Aufzeichnungen. Kurz nach 20:00 Uhr unternehme ich einen kleinen Spaziergang auf den Grat der mich vom Langisjór trennt. Werde später am Abend mit dem Photo wiederkommen und mich dann warm anziehen.

Kerlingar
Um 22:00 Uhr breche ich noch einmal auf und setzte mich auf den schon vorher erkundeten Gipfel. Hundert Meter über dem Langisjór treffen mich die letzten Sonnenstrahlen. Dann taucht alles in die weichen, blauen Tönungen der Dämmerung. Der Halbmond schiebt sich langsam auf den Sveinstindur zu und an den Westabfällen des Vatnajökull, weit hinter dem oberen Seeende, leuchten Schnee und Eis orange im letzten Sonnenlicht. Unendliche Ruhe über dem See. Selbst der Wind hat sich gelegt. Er ist immer noch da, aber nicht mehr so bissig, sondern ruhiger und stetiger. Gegen Mitternacht bin ich wieder zurück beim Zelt und krieche zufrieden und müde in meinen Schlafsack.


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