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Starker böiger Wind während der Nacht. Habe den Wecker erst mal ignoriert. Um 7:00 Uhr dann doch
auf und gefrühstückt. Der Regen hat aufgehört und einzelne Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch
die tiefen, schnellziehenden Wolken.
Stóra Súla
Bratthálskvísl
Ich beschließe trotzdem weiterzugehen. Die Furt am Grashagakvísl ist wie das letzte Mal gerade noch
trockenen Fußes zu schaffen und dann beginnt der teilweise bösartig steile 400-Höhenmeter-Aufstieg
zum Jökultungur. Ich kenne den Anstieg und lasse mir Zeit, viel Zeit, steige langsam aber
kontinuierlich. Es geht schnörkellos nach oben. Die Stöcke sind jetzt eine große Hilfe und
so kann ich den "Allrad" einschalten. Der Weg ist erdig und so steil, daß man den Fuß nicht
mehr ganz aufsetzen kann. Ein "Wadelspanner" erster Güte.
Aber in den letzten Jahren habe ich mir die Technik angeeignet
Schrittlänge und -frequenz genau so anzupassen, daß ich immer einen gleichbleibenden Atemrythmus
halten kann. Es macht Spaß diese Technik wieder zu erproben. Nach der ersten Steilstufe wird es kurz
flacher und im Windschutz eines großen Felsblockes mache ich mich regenfest. Je höher ich steige, um so
mehr nimmt der Wind zu. Bald hat mich die absinkende Wolkendecke geschluckt, aber es dauert nicht
mehr lange und ich habe das Ende des Anstieges erreicht.
Reger Gegenverkehr von kleineren und größeren Gruppen. Alle, ohne Ausnahme, fragen:
"Wie weit ist es noch zur nächsten Hütte?" Erste Dampfquellen, Schwefelgeruch, ekelhaft schmieriger,
gleblich weißer Lehmboden. Der Weg macht einen Schwenk zurück und ich muß ein Stück gegen den Wind
absteigen. Mit wie zwei Flügel ausgebreiteten Armen lasse ich mich spielerisch, anstrengungslos
den Hang hinuntertreiben nur durch den tosenden Wind gestützt und gebremst. Aber schon an der
nächsten Biegung peitscht und knallt mir wieder Graupel und Regen schräg von links hinten an die
Anorakkapuze. Meist schiebt der Wind, manchmal versucht er mich aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Entgegenkommenden haben es deutlich schwerer, und ich schäme mich fast für meinen Vorteil. "Wie
weit ist es noch bis zur nächsten Hütte?" Die Sicht beträgt zwischen 50 und 100 Meter. Der
ausgetretene Weg ist mit kurzen Pflöcken gut markiert und nicht zu verfehlen. Man scheint eine Unzahl
von 2 - 5 Meter tiefen Gräben, die in ihrem Grund noch altschneegefüllt sind, queren zu müssen. Kurz
vor der Hrafntinnusker Hütte reißt es etwas auf und ich kann für einen kurzen Moment die umgebende
Landschaft erahnen. Aber schon zieht es wieder zu und dichter jagender Nebel umgibt mich. An den
reichen Obsidianbrocken und an der Anzeige des GPS merke ich, daß ich in die Nähe der Hütte komme.
Schließlich taucht sie direkt über mir schemenhaft aus dem Nebel auf.
Um 9:30 Uhr starte ich schließlich in Richtung Álftavatn. Am Stallgebäude, das zur Hütte gehört,
suchen ein paar Reitertouristen auf der windabgewandten Seite Schutz und warten darauf, daß ihnen
die gesattelten Pferde gebracht werden.
Am Bratthálskvísl, der ersten Furt, begegne ich einem
Österreicher. Mangels Furtsandalen watet er in in Socken durch den Bach. Das läßt die Kälte des Wassers
und die Steine nicht so spüren. Danach wringt er sie gründlich aus und steigt damit wieder in
seine Bergschuhe. Wir kommen ein wenig ins Gespräch und er erzählt mir begeistert von den Bergen
im Skaftafell und was für eine Entdeckung sie für ihn waren. Auf der anderen Seite des Baches
kommt eine isländische Wandergruppe zur Furt.
Auch Sie sind Richtung Süden, also von Landmannalaugar nach Þórsmörk unterwegs. Einen Kilometer weiter
erreiche ich die beiden Hütten am Álftavatn. Endlich kann ich die Bilder für das Hüttenverzeichnis
nacholen die mir noch fehlen. Dann lasse ich mich vom Rückenwind das Tal hinauf nach Norden
treiben. Ich bin unschlüssig, ob ich heute noch zur Hrafntinnusker Hütte aufsteigen soll. Das Wetter
ist alles andere als ideal. Der steile Aufschwung zum Jökultungur steckt mit seinem oberen Drittel
in Wolken, die mit bemerkenswerter Geschwindigkeit an der Bergflanke entlangziehen. Oben auf dem
Plateau wird Sturm und schlechte Sicht herrschen. Ein erster, früh aufgestandener Wanderer kommt
mir entgegen. Ich erkundige mich nach den Wetterverhältnissen oben. "Geht schon" meint er "... aber
kein Spaß". Na ja, eigentlich geht es mir mehr drum etwas von der Landschaft zu sehen.