6. Tag, Skálafellsjökull

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Copyright © 2004 Dieter Graser

Freitag, 2. Juli 2004


Die ganze Nacht hindurch weiter Regen. Erst gegen Morgen hört es auf. Der Wecker piepst um 6:00 Uhr. Frühstück, Rucksack zusammenpacken, Zelt abbauen. Alles Routine, gewachsen während vieler Hochlandtouren. Die breiten Schneeheringe haben ich mit einer Schlinge aus dünner, roten Reepschnur versehen so finde ich sie schneller im tiefen Schnee. Komme trotzdem erst um 8:30 Uhr los.

Skálafellsjökull
Der Schnee ist weich und wässrig und die Pulka saugt sich fest. Ich versuche mich zu beeilen, denn vom Meer her zieht eine Nebeldecke den Gletscher herauf und ich habe höchstens 50 Höhenmeter Vorsprung. Es herrscht fast Windstille und es ist 6 °C warm. Ich gehe ohne Jacke. Trotzdem ist mir warm. In weiten, stufigen Wellen geht es bergauf. Mal flacher, mal steiler. Mit zunehmender Höhe wird der Schnee feinkörniger und dadurch auch wasserhaltiger. Jeden Hang versuche ich in flach ansteigenden Traversen zu nehmen. Es geht nur langsam voran. In den Steigungen muß ich alle 50 Meter anhalten und eine kurze Atempause einlegen. Die Oberschenkel brennen. Hinter jedem Aufschwung taucht die nächste Hangstufe auf. Selbst in den flacheren Stücken dazwischen muß ich nun Pausen einlegen. Fühle mich ziemlich schlecht in Form.

Linkerhand habe ich die Randberge des Gletschers hinter mir gelassen und halte westlich auf den Abbruch zum Kálfadalur zu. Gegen Mittag setzt leichter Schneefall ein. Wieder quere ich mühsam einen langen Hang hinauf. Schließlich kann ich links vor mir durch Wolken und Schneefall schemenhaft das Talende des Kálfafelldalur erkennen. Aber irgendwie gibt es da noch ein weitere, mächtige Bergkette die ich nicht einordnen kann. Erst später wird mir klar, daß es die Esjufjöll sind. Ich biege wieder etwas nach Osten ab und der inzwischen aufgekommene Wind treibt mir nasse Flocken entgegen. Ich habe in etwa mein Minimalziel für heute erreicht. Eigentlich wollte ich gestern schon hier sein, aber der Aufstieg hat zu viel Kraft gekostet. Ich befinde mich in dem Bereich in dem der Skálafellsjökull in das Plateau des Vatnajökull übergeht. Von hier aus müßte ich einen schönen Blick auf das westlich des Skálafellsjökull gelegene Kálfadalur und seine Berge haben. Nun schneit es es naß, der Wind nimmt zu und die Sicht wird schlechter und schlechter.

Um 14:30 Uhr bereite ich einen Platz für mein Zelt. Im Gegensatz zu gestern ist das Innnenzelt nun fast trocken. Verbringe den Rest des Nachmittags mit Tee trinken, dösen oder lese etwas in meinem Buch. Nach dem Abendessen macht mir das Wetter ein Freude und klart langsam auf. Der Wind treibt die Wolken nach Süden und die Sicht auf die Berge der gegenüberliegenden Talseite wird zunehmend frei. Und was für Berge das sind, die nun auch noch von der Abendsonne angestrahlt werden! Das Tal selbst bleibt unter einer tiefen Wolkenschicht verborgen. Im oberen Wolkenstockwerk stehen linsenförmige Föhnwolken. Der Wind hat gut aufgefrischt und zum ersten mal trifft Sonne das Zelt. Ich mache eine kleine Photoexkursion.

Besuch
Auf einem südlich von mir liegenden Gipfel am Rand des Skálafellsjökull entdecke ich erst zwei Snowscooter und dann zwei Jeeps, die langsam das Schneefeld hinaufkriechen. Das ist sicher Borgar. Mein Zelt müßte von dort aus eigentlich gut zu sehen sein. Nach einer gewissen Zeit fahren die Scooter wieder hinunter zum Gletscher und verschwinden aus meinem Gesichtsfeld. Wenig später höre ich hinter der flachen Kuppe östlich meines Zeltplatzes das typische Motorengeräusch und dann auch Stimmen. Schließlich preschen sie über die Kuppe auf mein Zelt zu. Natürlich sind es Borgar und Björgvin. Zur Feier des Wiedersehens nippen wir am meinem Whisky. Es reicht auch noch für ein Gruppenbild doch dann müssen die beiden zurück. Borgar meint noch, daß er versuchen will auch morgen Abend nach mir zu schauen und dann brausen sie davon.

Abend
Sofort kehrt wieder Ruhe und Stille ein. Als letzte Tat erhöhe ich noch den Windschutzwall den ich im Luv des Zeltes errichtet habe. Langsam nähert sich die Sonne dem Nordhorizont und wirft ein weiches Licht auf die Szenerie. Selbst wenn ich morgen schon umkehren müsste - es hätte sich schon gelohnt. Im Zelt noch an den Aufzeichnungen. Es wird kalt und es ist schon gegen Mitternacht - und immer noch taghell.


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