Vorwort

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Idee und Planung der Vatnajökullüberquerung


An Ostern 1997 unternahm ich eine erste Tour auf dem Kjalvegur vom Geysir bis nach Hveravellir mit Ski und Pulka. 1998 betrat ich bei der Querung des Eyjabakkajökulls zum ersten mal isländisches Eis. Ostern 2000 versuchte ich zusammen mit einem erfahrenen Partner eine Wiederholung der Kjalvegurtour als Training und Test zu einer möglichen, späteren Vatnajökullüberquerung. Aufgrund der geringen Schneelage auf dem Kjölur, die sich auch noch durch die Aschefälle des Heklaausbruches vom Januar 2000 weiter verschlechterte, war eine Hochlandtour mit Pulkas nicht möglich. Wir unternahmen dafür unvergessliche Skitouren auf den Snęfellsjökull, Eyjafajallajökull und Mżrdalsjökull sowie im Tröllaskagigebirge. Wir hatten dabei Schwierigkeiten uns auf die Geschwindigkeit des Partners einzustellen, wobei ich der langsamere war. So starteten wir zwar meist zusammen, gingen dann aber jeweils unsere eigene Tour. Diese Erfahrung bestärkte mich darin Sologänger zu bleiben, und den Vatna so lange auf Eis zu legen, bis ich mich auch ohne Partner reif genug dafür fühlte. Im Sommer 2001 kam ich bei der Überquerung des Múlajökulls zu erneutem Eiskontakt und 2003 überquerte ich in 2 Tagen die 36 km breite Gletscherzunge des Brúarjökulls und bestieg anschließend die Kverkfjöll. Bei dieser Tour war der Gedanke an eine Vatnajökullüberquerung schon im Hinterkopf. Ein Aspekt der Tour war, mir die Nordseite des Vatnajökulls genauer anzuschauen und weiter Erfahrungen zu sammeln.

Im Winter 2004 entwickelte ich folgende Grundideen für eine Vatnajökullüberquerung:

Start- und Endpunkt sollen möglichst hoch im schneebedeckten Teil des Gletschers liegen um Spalten- und Schneesumpfzonen zu vermeiden.
Die Route soll möglichst im Scheitelbereich und damit vollständig im Nährgebiet des Gletschers liegen.
Einbeziehung vorhandener Infrastruktur (Hütten, Toursimuszentren)
Benutzung von "üblichen" Routen ( bessere Informationsmöglichkeiten, Sicherheit)
An - und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Als bester Zeitraum schien mir der isländische "Frühsommer" also Ende Juni bis Anfang Juli. Zum Ersten sind die Wetterverhältnisse etwas stabiler, zum Zweiten ist die Schneeschnelze in den Hochlagen noch nicht zu weit fortgeschritten und drittens öffnen Hochlandhütten erst Anfang Juli und vorher werden sie auch von den Hochlandbussen nicht angefahren.

Karte
Als Ausangspunkt bot sich so die auf 850 m ü.N.N. liegende Hütte Jöklasel am Skálafellsjökull (westl. von Höfn) an. Von dort aus werden Snowscooter- und Superjeepfahrten auf dem Vatna angeboten und von dort brechen auch viele der privaten Superjeeps zu Gletscherfahrten auf. Hier gibt es sicher die besten Infos über den aktuellen Zustand und mögliche Spaltenzonen. Die ersten 10 km und 300 Höhenmeter würden auf der Route der Snowscooterspuren verlaufen. Übernachtung in der Nähe des Aussichtspunktes über das Kálfadalur. Von dort aus wäre, falls nötig, ein schneller Rückzug möglich.

Der nächste Fixpunkt der Route war die Hütte des Verbands der Isländischen Gletscherforscher (JÖRFÍ) auf dem Grímsfjall, dem westlichen Kraterrand des mitten im westlichen Vatnajökull gelegenen Vulkans der Grímsvötn. Die drei gut ausgestattenten, nahe beieinander stehenden Hütten dienen als Forschungstation für Glaziologen und Vulkanologen gleischermaßen. Die Hütte liegt nur 3 km von der Stelle des letzten Ausbruches vom Dezember 1998 entfernt. Die Hütten sind sind der einzige Stützpunkt im zentralen Bereich des Vatnajökull. Eine Einbeziehung der Hütte am Südende der Esjufjöll in die Route habe ich für diese Tour verworfen, da diese zu tief und damit im Sommer im schneefreien Teil des Gletschers liegt. Zudem hätte diese Route in Ab- und Aufstieg zweimal durch potentielle Spalten- und Schneesumpfzonen geführt.

Höhenprofil
Der Endpunkt der Tour sollte am Nordrand des Vatnajökulls, an den Kverkfjöll liegen. Den steilen Abstieg über 1000 Höhenmeter zur Hütte Siguršarskáli habe ich im Vorjahr als günstige Route erlebt. Die im Gipfelbereich der Kverkfjöll liegende, einfache und unverschlossene Hütte ist ein guter Stützpunkt um das nahe liegende Hochtemperaturgebiet der Hveradalir zu erkunden oder um ganz einfach bessere Wetterverhältnisse abzuwarten.

Den Tourenplan für die Vatnajökullüberquerung habe ich grob wie folgt aufgestellt:

Tourenplan Vatnajökull
Etappe Distanz Dauer geplant Dauer tatsächlich
(Höfn -) Jöklasel - Skálafellsjökull 10 km 1 Tag 3 Tage
Skálafellsjökull - Grímsfjall 60 km 3 Tage 3 Tage
Grímsfjall - 1 Tag 1 Tag
Grímsfjall - Kverkfjöll 40 km 2 Tage 3 Tage
Kverkfjöll - 1 Tag 1 Tag
Kverkfjöll - Siguršarskáli 15 km 1 Tag 1 Tag
Summe 125 km 9 Tage 12 Tage

9 Tage war dabei die Zeit die ich im Minimum ansah. Als Maximum rechnete ich 16 Tage und das war auch der Zeitraum nach dem ich mich spätestens bei der Rettungsorganisation Landsbjörg zurückmelden mußte. Verpflegung und Brennstoff (Gas) hatte ich für 3 Wochen dabei. Die Zeit, die ich für die Überquerung brauchen würde hängt in erster Linie vom Wetter ab. Da dieses über einen Zeitraum von 2 Wochen in Island schon nicht und für den Vatnajökull schon zweimal nicht kalkulierbar ist, rechnete ich mit einem Zeitaufschlag von 50%, also mit etwa 2 Wochen insgesamt.

Während der Planung der Tour versuchte ich möglichst viel Informationen über den Vatnajökull und Verhältnisse auf dem sommerlichen Gletscher zu sammeln. Bemerkenwerterweise ist in gedruckter Form kaum Literatur zu finden. Am aufschlußreichsten war dabei Hans Wilhelmsson Ahlmanns Buch "Land of Ice and Fire" über seine Vatnajökullexpedition aus dem Jahre 1938! Der Bericht über die Cambridge Expedition von 1932 oder gar von Lord Watts "Across the Vatna Jökull" von 1897 waren eher von historischer Bedeutung auch wenn sie manche interessante Hinweise enthielten. Im Internet gibt es mehrere Berichte über Winterüberquerungen aber nur zwei Berichte über eine Sommerüberquerung. Einer auf Deutsch Über den Vatnajökull und ein anderer TRANS-VATNA auf Polnisch. Bei beiden Seiten war aus den Bildern am meisten Information zu ziehen. Auf mehreren isländischen Online-Photoalben fand ich weitere Bilder, welche einen Eindruck der Schnee- und Eisbedingungen auf Teilen der Route gaben. Ein Anfrage in einem isländischen Bergsteiger-Forum zeigte keine Resonnanz und eine E-Mail an den Verband der isl. Bergführer blieb unbeantwortet. Beides hat mich nicht besonders erstaunt, aber es hätte mich doch gefreut mich mit den "experienced locals" austauschen zu können.

Meine normale Winterausrüstung habe ich für diese Tour um eine neues, winterstabiles Zelt (Hilleberg Tarra) und einen standfesteren, flacheren Gaskocher mit Vorheizung (Primus Easyfuel) ergänzt. Zusätzlich hatte ich eine Eis-Grundausrüstung dabei (Pickel, Steigeisen, Gurtzeug, Eisschrauben, Expressen, Seilklemme, Seilrolle, ein 25 m Seil, 25 m Reepschnur, diverse kürzere Reepschnüre für Schlingen usw.)

Die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Gletscher waren, von den ersten 2 Tagen abgesehen, günstig und zu keiner Zeit kritisch. Ich lege allen Lesern meines Berichtes an Herz, nicht zu glauben, daß ich hier "normale" Vatnajökullverhältnisse beschrieben habe und man in der Regel zu dieser Jahreszeit mit vergleichbaren Wetterbedingungen rechnen kann. Ich hatte das große Glück den Vatnajökull von seiner "milden" Seite erleben zu dürfen, aber ich war mir in jeder Sekunde bewußt, daß er auch anders sein kann.

Nachtrag vom 02.11.2004:

Heute Nacht ist der Vulkan Grímsvötn nach 6 Jahren erneut ausgebrochen. Die Tage zuvor hat das sich über längere Zeit angesammelte Wasser des über dem Vulkan befindlichen subglazialen Sees in einem sogenannten "Jökulhlaup" in den Skeišarársandur ergossen. Es wird vermutet, daß durch die Druckentlastung über der Magmakammer das empfindliche Druckgleichgewicht gestört wurde und so die Magma zur Oberfläche durchbrechen konnte.

Nachtrag vom 04.11.2004:

Bilder und Infos zum aktuellen Grímsvötnausbruch gibt es auf der Seite NORDVULK.


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