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5. Tag, Laugafell - Snæfell

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Copyright © 2003 Dieter Graser

Montag, 21. Juli 2003


Wache um 3:00 Uhr kurz auf und blicke durch die Lüftung nach draußen: Nebel - gerade mal 10 Meter Sicht. Nach dem Piepsen des Weckers zu seiner üblichen Zeit um 6:00 Uhr döse ich kurz wieder ein. Das Zelt naß eingepackt schaffe ich den Aufbruch von Laugafell um 8:20 Uhr. Aus Nordosten, aus dem Fljótsdal, ziehen immer noch die Nebel herauf und die Wolkendecke ist nieder genug um den Gipfel des Laugafell zu kappen.

Die Piste quert die Laugará und als erstes ist Furten angesagt. Dann der lange Anstieg am Slæðufoss vorbei aus dem flachen Tal heraus und auf die Hochebene. Hier stehen die beiden Bager von gestern Abend und mehrere Spezialgeräte zum Verlegen von Leitungen. Alle Kilometer verzieren irgenwo riesige Kabeltrommeln die Landschaft. Einer der Arbeiter erklärt mir: "We build a power line that we can build the power line!" Na ja, das hat schon seine Logik - die Baustellen im Hochland brauchen erst mal ihre eigene Infrastruktur.

Ab jetzt bin ich nicht mehr auf einer Hochlandpiste unterwegs sonder auf etwas, was ich einmal den "Kárahnjúkar Highway" nennen möchte. Die Straße mit dem verfestigten Naturbelag ist so breit, daß sie bequem von einem Schwertransport befahren werden kann, oder daß ein normales Fahrzeug bei Gegenverkehr nicht ausweichen muß. Meist verläuft die Straße auf einem aufgeschüttenten Damm. Das Material wurde von links und rechts der Trasse angeschoben. "Gehen Sie sorgsam mit der Vegetation im Hochland um" werden Touristen von offiziellen Stellen ermahnt. Hier ist eine 20 - 40 m breite Schneise in die Heide gepflügt die auf Jahre wenn nicht Jahrzehnte eine offene Wunde bleiben wird. Nicht allein die neuen Staudämme selbst sind die größte Veränderung im Hochland, sondern die Erschließung durch die neuen Straßen.

Hochland
Endlich erreiche ich den Abzweig östlich des Sauðafell und biege auf eine wenig befahrene Piste nach Südwesten ab. So macht das Gehen wieder Spaß! Eine kleine Furt wird als Abwechslung verbucht und dann ein ziemlich heftiger Anstieg zum nächsten Abzweig nach Westen. In einem kleinen Tälchen halte ich Mittagsrast an einem hübschen Bach. "Flugzeugbutter", die endlich verbraucht werden muß, auf Roggenbrot - Mjam! Zwei Jeeps kommen vorbei und halten an. Die Isländer fragen nach dem üblichen Woher - Wohin und wie das Bad in Laugafell sei. Die junge Frau auf der Rückbank des Jeeps erzählt mir, daß sie eine zeitlang in München in einem Island-Reisebüro gearbeitet hat. Klein ist die Welt! Nach der Pause weiter hinunter zur Snæfell-Piste. Habe einen schönen und weiten Blick nach Westen zum Herðubreið.

Snæfell
Das Wetter hat sich deutlich gebessert. Auf der Westseite des Snæfellmassivs, befinde ich mich im Lee des Berges. Ich habe Sonne und nur ein paar Wolkenfetzen triben über den tiefblauen Himmel. An einer ersten "Riesenwarte" - hier war wohl mal ein verspielter Baggerfahrer am Werke - mache ich Rast. Eigentlich sollte ich nun auf der Zielgeraden zur Hütte sein, aber es zieht sich gewaltig. So weit hatte ich es gar nicht mehr in Erinnerung! Die Piste gefällt sich in einigen weiten Schlenkern und zwei Furten halten mich weiter auf. Eine zweite Riesenwarte lädt zu einer erneuten Rast ein und ich genieße den Blick auf den Snæfell, der seinem Namen alle Ehre macht. Nach fast 10 Stunden trudle ich an der Hütte ein und suche mir einen schönen Platz für das Zelt.

Snæfell Skáli
Endlich Zeit aus den Stiefeln zu kommen! Sie drücken unter beiden Fersenballen und ich befürchte schon, daß ich mir Blasen gelaufen habe. Die Ursache mache ich schnell ausfindig. Meindl verwendet eine neue Einlegesohle mit einem Fersenpad aus etwas härterm Material das wohl schockabsobierend wirken soll. Mit vollbepacktem Rucksack trete ich aber mit knapp 130 kg auf und habe das das Pad umgebende, weichere Schumstoffmaterial platt gedrückt. Der Druck wird dadurch nicht mehr gleichmäßig verteilt. Da ich mir noch keine Hornhaut gelaufen habe schmerzt das ziemlich. Aber die nächtsten zwei Tage werd ich hier bleiben und will ich eh nicht große Rucksäcke schleppen. Genug Zeit ihn leerer zu fressen.

Später gehe ich zur Hütte hinüber. Dort treffen gearde von Süden kommend, fünf verwegene Gestalten ein. Die Sprache, in der sie sich unterhalten kann ich zunächst nicht einordnen. Die Hüttenwartin begrüßt sie und teilt ihnen mit, daß ihr Material hier und auch schon an der Kverkfjöll Hütte angekommen ist und auf sie wartet. Ich werde hellhörig und spreche sie etwas später an. Es sind ungarische Geographen auf einer Fußexpedition durch Island. Auch sie wollen den Weg über den Brúarjökull nehmen. Einige kennen die Route schon von einer früheren Tour. Zu meiner nicht geringen Überraschung haben sie zu fünft nur ein 3-Mann-Zelt dabei. Da das Wetter gut ist schlafen zwei von ihnen im Freien. Noch immer beeindruckt erzählen sie, wie sie vor drei Tagen in ein Gewitter geraten sind - so richtig mit Blitz und Donner - alle Fünfe ins das wunderschön exponiert stehende Zelt gequetscht und wohl heimlich zu St. Faraday betend. Und so was in Island! Bin am Abend so müde, daß ich trotz der putzmunteren Ungarn direkt neben mir sofort tief einschlafe.


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