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7. Tag, Sigalda - Veišivötn

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Copyright © Dieter Graser

Donnerstag, 22. Juli 1999


Aufbruch um 8:00 Uhr bei bedecktem Himmel. Der Wind hat auf Ost bis Südost gedreht. An unserem Zeltplatz ist er aber leider noch zu schwach um die Mücken zu vertreiben. Habe deshalb wieder meine dünne Sturmhaube übergezogen. Vorbei am Kraftwerk die Sprengisandur Piste hinauf. Drei große Tieflader mit Wohncontainern für die neue Kraftwerksbaustelle überholen uns an der Steigung. Der Wind wird frischer und ich brauche die Jacke. Nach etwa 6 km (ein Stück vor meinem alten Lagerplatz an dem ich vor einem Sturm Schutz suchte) verlassen wir die Piste nach Osten, um zum Nordufer des Stausees Krókalón zu kommen. Der ehemalige Zufluß, nun fast trockengelegt, bildet am Grund des weiten Tales eine kleine Schlucht. Noch ist eine alte Piste zu erkennen, aber in der Schlucht sind die steilen Böschungen abgerutscht und die Piste ist hier nicht mehr passierbar. Für Fußgänger ist es aber kein Problem hinüber zu kommen. Auf der anderen Seite eine nicht allzu alte Reifenspur. Da hat es einer wohl vergeblich versucht.

Weiter am Seeufer entlang und diseses dann verlassend über welliges Gelände nach Westen auf den Žóristindur zu haltend. Mit GPS und Kompass ist die Navigation kein Problem. Der Boden besteht aus Steinpflaster und ist ziemlich sandig. Ich sinke auf dem weichen Untergrund mit den Fersen tief ein. Sacha, der mit deutlich weniger Gewicht unterwegs ist, hat wieder weniger Probleme. Die Eintiefung im langestreckten Höhenzug des Žóristindur den wir queren müssen ist deutlich zu erkennen - aber auch, daß der Aufstieg verdammt steil ist. Einen kleinen See, der südöstliche Teil des recht veränderlichen Fellsendsvatn, umgehen wir auf dessen Nordseite. Die Ebene ist sandig und in selbst in einiger Entfernung zum flachen See selbst noch wassergesättigt, also nicht begehbar! Sicherheitshalber verlassen wir den ehemaligen Seeboden. Der starke Ostwind reißt lange, gelbliche Staubfahnen aus den feinen Sedimenten. Am Fuß des Hanges machen wir eine kleine Ruhepause bevor wir den Anstieg angehen. Der Aufstieg führt über eine ungegliederte, sandige und steile Geröllhalde. Ohne Stöcke hätte ich kaum ein Chance. Immer wieder rutsche ich zurück. Mit der Hand kann ich mich fast vorn gegen den Hang abstützen und zwischen den Beinen durch nach unten zum Hangfuß schauen. Der Sand ist zu weich, und die Steine, auf die man tritt warten nur auf eine günstige Gelegenheit der Schwerkraft nachzugeben. Ich verfluche das Gewicht meines Rucksacks. Schritt für Schritt geht es höher und alle 10 Meter hänge ich keuchend zwischen den Trekkingstöcken - einen Fehltritt kann ich mir hier nicht leisten. Sacha wartet oben schon geduldig auf mich, er ist frisch und munter. Schließlich habe ich es auch geschafft.

Sacha

Weil es oben in der Scharte gar so weht gehen wir gleich den Abstieg an der Gottseidank weniger steil und kürzer ist. Dann im Flachen geradeaus weiter nach Osten auf das südliche Ende des nächsten Höhenzuges zu. Sacha ist von dieser Wüstenlandschaft begeistert. So hatte er sich das Hochland nicht vorgestellt. Graue Sand- und Kiesflächen unterbrochen von kahlen, dunklen, vulkanischen Höhenzügen und ein einzelner, kuppelförmiger Hügel aus verwittertem, kräftig, rotem Gestein. Wie Nebel stuft aufgewirbelter Staub und Flugsand die ferneren Kulissen in feinen Grau- und Gelbtönen ab. Wir haben vollen Gegenwind. Es knirscht zwischen den Zähnen, lockere Kleidung und lose Rucksackgurte flattern. Ich trage die Gletscherbrille und die Sturmhaube. Wie es es Sacha mit seinen Kontaktlinsen aushalten kann ist mir ein Rätsel.

Sandsturm

Als nächstes kommen wir an ein der aufallenden Felsformation "Hattur" (Hut) vorbei und dann zu "Karl og Kerling" (Mann und Weib), zwei einsame Steinwarten, die sicher älter sind als die Fahrspur, die hier vorbeiführt. Dann auf Kurs 110° müßte ein Einschnitt in dem Höhenzug der Vatnaöldur vor uns sein, die Vatnsskarš, der Übergang zu den Seen der Veišivötn. Dank Sachas Eifer wird fast eine kleine Bergtour draus, doch die Höhenmeter zuviel bescheren uns wenigstens eine schönen Ausblick auf einen Teil der Veišivötn. Im Schutz eines Felsens rasten wir kurz. Das Ende der Wüste liegt vor uns. Beim Abstieg geht es über ein flaches Schneefeld und dann über das immer noch mit Schnee verfüllte, scharf eingeschnittene Tal verlassen wir die Vatnaöldur und das letzte Hindernis, der breite Vatnakvísl liegt vor uns. Der kleine Fluß ist klar, träge, aber etwa 50 m breit. Wenn der Untergrund sandig ist kann das unangenehm werden. Ich versuche es erst an einer Stelle mit höherer Fließgeschwindigkeit und wie vermutet mit festerem Untergrund. Nach gut 10 m muß ich umkehren. So hoch kann ich die Hosenbeine gar nicht hochkrempeln, wie ich müßte. Zweiter Versuch etwa einhundert Meter oberhalb an einer breiteren Stelle. Der Untergrund besteht aus feinem Kies, ist fest und das Wasser nur gut knietief. Kein Problem hier. Ich gebe Sacha ein Zeichen zun nachkommen. Ohne Stöcke, barfuß, ohne Sandalen hat er es natürlich etwas schwerer.

So erfrischt gehen wir die letzten 2,5 Kilometer bis zur Hütte am Tjaldvatn an. Dieseits des Vatnakvísls gibt es eine, wenn auch etwas schüttere, Vegetation. Wir können auch eine komfortable Piste die alle Seen miteinander verbindet benutzen. Zu unserer Überraschung finden wir nicht nur eine Hütte, sondern ein ganzes Hüttendorf, das sich um das Nordufer des Tjaldvatn gruppiert. Die Anlage besteht aus etwa 12 kleinen Hütten, einer großen zentralen Hütte, einem Wasch- und Toilettenhaus, sowie markierten und gekiesten Wegen, Parkplätzen für Wohnmobile und vielen Zeltmöglichkeiten. Wir stellen erst mal unsere Rucksäcke vor der großen Hütte ab. In der Hütte scheinen keine Gäste zu sein. Sollen wir zelten oder in der komfortablen Hütte übernachten?

Ich gehe erst mal zur "Wärterhütte" die an der etwa 10 m hohen Antenne erkenntlich ist. Dort öffnet mir eine nette Frau und bittet mich ins Büro das voller Angelzubehör und Trophähenphotos ist. Hier kommen außer Anglern kaum Touristen her. Sie ist auch froh darum "... if you have seen Landmannalaugar, you will know what I mean." Oh ja, ich verstehe vollkommen was sie meint. Sie erkundigt sich wie und welchen Weg wir gekommen sind und wie es uns an der Furt erging. Sie berichtet, daß in den letzten Tagen ein Wanderer direkt von Landmannalaugar zu den Veišivötn gekommen ist und dabei durch die Tungnaá waten mußte. "He said that he will never do this again and he is happy to be still alive." Der Wetterbericht sagt Regen und starken Wind voraus. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt inzwischen beides und so steht für mich der Entschluß schon fest, aber ich will erst noch Sacha fragen. Bei ihm zurück macht er ein bedenkliches Gesicht das sich offensichtlich auf seine Reisekasse bezieht, die noch bis September reichen muß. Die letzten zwei Wochen hat er in Landmannalaugar an der Hütte gegen Kost und Logis gejobt. Na, das sollte dann kein Problem sein und wenig später richten wir uns im Dachgeschoß der geräumigen Hütte ein. Gemütlichen Holztische unter dem Giebelfenster und drei Matratzenstapel bilden die ganze Einrichtung - komfortabel genug für uns. Im Erdgeschoß eine Küche ohne Herd und drei seperate und verschlossene Räume für "Luxus-Gäste" bzw. Honoratioren des Anglervereins, der die Hütten hier betreibt.

Wir kochen uns eine Riesenportion Spaghetti und als Vorspeise gibt es Haršfiskur. Sacha hat leicht gesalzene isländische Butter dabei und damit schmeckt es erst so richtig! Wir verplaudern den Abend bis gegen 22:00 Uhr. Auf zwei Matratzen dann herrlich weich geschlafen, während der Wind um das Hüttendach pfeift und der Regen auf das Dach prasselt.


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8. Tag Veišivötn