6. Tag, Flosaskarð (Torfabæli - Þrístapafell)

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Copyright © Dieter Graser

Dienstag, 5. August 1997


Nach angenehmer Nacht um 6:00 Uhr aufgewacht. Immer noch viel Wind. Kurzer Gang nach draußen. Eine dunkle, graublaue Wolkenschicht hängt über dem Eiríksjökull. Die Plateauabbrüche wirken schwarz und bedrohlich Im Süden hängt die Decke sogar noch tiefer und weißlich graue Regenschleier verschleiern die Hänge des Schildvulkans Ok. Wolkenfetzen jagen die Südflanke des Strútur hinauf als wollten sie den Berg als Sprungschanze benutzen. Einzig über der Flosaskarð ist der Himmel etwas heller - bedingt durch das Lee des Hafrafell? Wenigstens regnet es nicht.

Beschließe erst mal in Ruhe zu frühstücken und das Wetter zu beobachten. Sollte ich den Regen vermißt haben, gegen 7 Uhr habe ich ihn und gegen 8 Uhr ziehe ich mich noch auf zwei Stündchen in den Schlafsack zurück.

Pool
Ein Gang nach draußen zeigt, daß hier unten im Tal der Wind eigentlich ganz passabel wäre, wenngleich er einen auch ohne Rucksack schon zu ordentlicher Schräglage zwingt. In München würde man so etwas Sturm nennen, aber da fehlt noch etwas. Es bläst noch immer aus SSW und was von dort heran kommt sieht sehr naß aus. Die Wolken und die Hänge des Eiríksjökull haben etwas von ihrer bedrohlichen Färbung verloren. Aber bis zur Flosaskarð hinauf gibt es keinen Windschutz und wie es in dem Hochtal selber sein könnte ist nicht abzuschätzen. Das gibt den Ausschlag. Hier bin ich geschützt, sicher, habe gutes Wasser in der Nähe und werde deshalb einen Ruhetag einlegen. Mein Gang wird durch einsetzenden Regen beendet. Ein gefundener Birkenpilz erweist sich als zu madig als daß er das Abendessen bereichern könnte.

Durch den Windschutz des Lavarückens bleibt mir das Gröbste erspart, aber wenn, dann kommt es so verwirbelt, daß es das Zelt von allen Seiten her durchbeutelt. Liege im Zelt und höre auf die Geräusche. Von rechts rauscht der Wind dunkel und tief durch die Lavabrocken und manchmal klingt es wie Donner. Von links, deutlich heller das Zischen des Birkengebüsches unter dem wohl ein Piepmatz sitzten muß und der das Ganze wohl nicht so ernst nimmt. Um 11:00 Uhr das Brummen der Akureyri Maschine. Sie pendelt mehrfach am Tag zwischen Reykjavík und Akureyri. Ihr Kurs liegt 5 - 10 km westlich vom von meinem Zeltplatz. Verwirbelter Regen.

Habe den ganzen Tag über viel in Ecos "Die Insel des vorigen Tages" gelesen. Das Buch handelt von einem Schiffbrüchigen und der Suche nach dem Geheimnis der Längengrade. Welch beziehungsreiche Lektüre. Bin froh, daß das Buch noch dick genug ist. Zur Beschäftigung und inspiriert durch meine literarischen Vorbilder beginne ich mit meinen eigenen Messungen. Temperatur im Zelt: 17°C, da die Sonne ungeachtet des stetigen Regens für eine kurze halbe Stunde auf das Zelt scheint. Das GPS bestätigt meine gestern genommene Position auf 30 m genau (!) und gibt nach etwas Hin und Her die Höhe mit 350 - 370 m ü.NN an. Aus der Karte entnehme ich 370 m. Der gestern eingestellte Höhenmesser zeigt 410 m, ist also um 5 Mb gefallen.

Torfabæli
Ich beginne mit Überlegungen, wie dieser frühe unfreiwillige Ruhetage am Anfang meiner zweiten Etappe meine weiteren Pläne beeinflussen kann. Mehr als zwei Wartetage kann ich mir nicht leisten, denn spätestens in 6 Tagen muß ich in Hveravellir eintreffen um mich telephonisch bei der Landsbjörg zurückzumelden. Wenn also morgen nichts geht ist meine eingerechnete Reserve gleich zu Beginn verbraucht. Unter guten Bedingungen ließe sich ein Tag hereinholen, ansonsten müßte ich versuchen nach Westen die Piste über die Arnarvatnsheiði zu erreichen um wieder zurück zum Hof von Kalmanstungur zu kommen. Ich spiele alle Möglichkeiten durch, aber mehr kann ich jetzt nicht tun, als Abwarten, welches Wetter der morgige Tag bringt.

Zum Abendessen nur eine halbe Doppelpackung. Gegen 20 Uhr nutze ich eine Regenpause zum Wasserholen. Ein paar Schritte tun gut wenn man den ganzen Tag herumliegt. Wieder Regen. Um 21 Uhr ist das Barometer auf 1010 Mb gestiegen. Wenn das Wetterbesserung ankündigt, dann soll es mir nur recht sein.


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