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32. Tag, Réttarkot - Engidalslękur
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Copyright © Dieter Graser
Mittwoch, 8. August 2001
Irgendwann nachts fingern Autoscheinwerfen durch das Westfenster der Hütte. Es braucht ein
wenig, bis ich voll aus dem Schlaf auftauche. Ja, Anfang August wird es um diese Zeit auch fast
richtig dunkel. Es ist 2:30 Uhr - oh nein! Die erholsame Hüttennacht kann ich wohl abschreiben.
Ein erster Kundschafter streckt den Kopf zur Tür herein, die er zu seiner Überraschung
unverschlossen vorfand, obwohl kein Auto vor der Tür stand. Vorsichtig fragt er "Are you many?" -
Seid Ihr viele? Ich beruhige ihn damit, daß ich alleine bin. Inzwischen sind noch zwei weitere
Fahrzeuge den Weg zur Hütte heraufgekrochen. "Wir sind acht" sagt er und entschuldigt sich für die
Störung. Entgegen allen Befürchtungen ist das kein Wikingerüberfall, sondern es sind
Wissenschaftler der Náturufręšingarstofn Íslands, die hier für eine Woche ihr Basislager
aufschlagen. Während ihres Aufenthaltes wollen sie eine Vegetationskartierung durchführen. Vor 20
Jahren wurde das Gebbiet schon einmal kartiert und nun will man untersuchen, ob und welche
Veränderungen es gegeben hat. Ich bin aufgestanden und räume meine Sachen etwas zusammen.
Kein Grillen, kein Feiern, kein Fest - 45 Minuten nach ihrer Ankunft liegen alle in den
Schlafsäcken und das Licht ist gelöscht. Habe meinen Wecker um eine Stunde weiter, auf 7:00 Uhr
gestellt.
Morgens bedeckt und Nebelbänke an den Talhängen. Versuche möglichst leise zu sein, aber mein
Primus mit seiner neuen Kartusche faucht ganz schön. Hinterlege das Geld für die Übernachtung
und schultere um 8:30 Uhr meinen Rucksack. Nach 600 Metern schon die Furt - damit auch die
Füße aufwachen dürfen. Das erste Lavafeld ist auf der Piste ohne viel Umwege zu queren. Dann die
moorige Ebene Skafeyrar mit einem kleinen Bach an ihrem Nordende. Hier hätte man auch gut zelten
können. Die nächste Lava ist der Hauptstrom des Sušurárhraun, das sich in das Tal der
Skjálfandafljót ergoß und das sich der Fluß erst wieder zurückerobern mußte. Von Westen her
schiebt sich die hohe Basaltwand des Hrafnabjörg ("Rabenburg") wie ein Schiffsbug in das Tal.
Schafe
Heute habe ich meine "Gehmoral" wiedergefunden und es ist ein Spaß zu Fuß unterwegs zu sein.
Das Wetter bessert sich zusehends. Die Hochnebeldecke ist gestiegen und löst sich auf. Es weht ein
frisches Lüftchen aus Nord. Gegen Mittag erreiche ich einen schönen Wasserfall - besser eine
Stufe von Wasserfällen der Skjálfandafljót. So eindrucksvoll die Fälle sind, ich finde keinen
Photostandpunkt, von dem aus man sie richtig ins Bild setzen könnte. Ist auch gut so - maches will
geschaut und nicht geknipst werden! Auf der anderen Flußseite Autotouristen, die von der nahen
Sprengisandurpiste her kommen. Mache eine gemütliche Mittagspause mit Sonne und Blick auf die
Fälle. Weiter geht es abwechslungsreich durch die Lava. Der berühmte Aldeyarfoss bleibt etwas
weiter westlich hinter der Lava verborgen. Das Tal hat sich nun weit geöffnet und ich passiere
erst einen Zaun und später eine Mauer aus Legesteinen. Dann erreicht die Piste völlig unauffällig
die Zufahrtsstraße zum Hof Storatunga, der außer Sichtweite hinter einem Hügel liegt. Wer die
Abzweigung nicht kennt, wird von Norden her kommend, erst einmal an ihr vorbeifahren. Man hält
sie einfach für eine Zufahrt zu eine der Mähwiesen des Hofes. Diese Piste ist also von beiden Enden
her nicht ganz einfach zu finden
Mit dem Báršardalur erreiche ich die Zivilisation. An der Brücke über die Svartá lege ich mich ins
Gras und feiere ein Päuschen. Ein kleiner Hügel schirmt mich vom frischen Nordwind und der
verwehten Gischt des Falls der Svartá ab. Ich schließe die Augen und höre dem Rauschen des
Wasers zu. Ich bin heute zufrieden mit mir. Ich war flott unterwegs und habe mir die Pause
verdient. Bevor ich ganz einschlafe, raffe ich mich auf und gehe den langen Anstieg zum Hof
Višiker an. Ein Stück weiter, aber unten im Tal liegt der Hof Raušafell. Für ein halbes Jahr lebt
und arbeitet dort Marcus aus Deutschland. Mit ihm war ich in letzter Zeit in E-Mailkontakt wegen
der Trekkingtouren, die er von hier aus unternehmen könnte. Ich habe locker mit ihm verabredet, daß
ich ihn besuchen würde, wenn ich auf meiner Tour hier vorbeikäme. Der Hof Raušafell liegt aber
3 Kilometer (berg)ab
von meiner Route und so will ich mir einen Zeltplatz an der Grjótá oder am Engidalslękur suchen.
Die Moral ist zwar noch gut aber meine Füße sind da anderer Meinung. Am Engidalslękur finde ich
etwas abseits der Straße einen Platz für das Zelt. Das ist gar nicht so einfach in den von Žúfur
(Wiesenbuckel) übersähten Wiesen. Der Engidalslękur führt zu meiner Enttäuschung nur wenig
einladendes, schlieriges Moorwasser. Ich muß mich wohl oder übel an einem kleinen Tümpel in
der Nähe bedienen. Nach dem Abendessen mache ich mich ohne Rucksack auf den Weg hinunter
nach Raušafell. Ist doch weiter als gedacht. Finde schließlich auch Marcus. Die Bäuerin ist die
Tochter einer der inzwischen legendären Frauen, die nach dem zweiten Weltkrieg von Deutschland
nach Island kamen. Per Zeitungsanzeige wurden 1949 Mädchen als Arbeitskräfte auf "modernen"
Höfen gesucht. Neben dem obliatorischen Kaffee bekomme ich viel frische Milch. Nach
zweistündigem "heimsókn" fährt mich Marcus zurück zu meinem Zelt. Wir haben auch "gutes"
Wasser dabei. Es ist kalt geworden und aus den Moorwiesen steigt Nebel auf.
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